Donnerstag, 17. Januar 2013

Charleroi


Eine Industriestadt mit dem Charme der DDR von 1989 vorm Mauerfall und dem Ruhrpott von heute.
Bei der Einfahrt in die Stadt kommt man an alten Industriegebieten, Fabriken, Kraftwerken und unendlich vielen Schornsteinen vorbei.
Leider liegt alles ziemlich darnieder.
Jeder Belgier, mit dem ich mich unterhalten habe, sagte mir: "Was willst du in Charleroi - der häßlichsten Stadt Europas" und lachte.
Was soll ich sagen? Ich finde, es hatte totalen Charme. Mal was ganz anders als man gewohnt ist. Mir hat's gefallen.

Empfangen wurde ich von Cindys, Jacquelines und Vicky Pollards. RTL 2 Doku Soap in echt.
Ich bin um 10:30 Uhr angekommen und habe mir mein obligatorische Baguette gekauft. Der Unterschied hier war, dass man schon Bier aus Dosen getrunken hat.
Als guter Tourist habe ich mich den Gepflogenheiten angepasst und auch gleich Bier aus Dosen konsumiert.
Direkt im Bahnhof gibt es die Tourist Information mit einer Image-Broschüre über Charleroi. In Brüssel hat sie noch 5o Cent gekostet und hier war sie kostenfrei. Ich bin brav den empfohlenen Spaziergang abgeschritten.
Ich sage mal "Mut zur Lücke"! Man hat sich große Mühe gegeben die Besonderheiten hervorzuheben. In der Fußgängerzone waren überall Lautsprecher und es lief Musik.
Das scheint in Belgien eh sehr populär zu sein. In den U-Bahn-Stationen von Brüssel und Antwerpen läuft auch die ganze Zeit Musik; das ist sehr angenehm und verkürzt die Wartezeit.
Zwischendurch bin ich in eins der zahlreichen Pubs eingekehrt. Es sah drinnen aus wie aus dem letzten Jahrhundert. Überhaupt alle Pubs waren zur Mittagszeit voll.
Am Ende der Tour habe ich die einzige schwule Bar aufgesucht.
Es gab 2 Bedienungen, einen Gast und mich. Das Bier hat unschlagbare 1,50 Euro gekostet für 0,25 cl ich glaube im Ruhrpott ist das heute genauso.
Nachdem ich 2 Bier getrunken habe, hat mir die Bedienung noch eins ausgegeben. Irgendwie war es traurig, denn da kann man ja nix verdienen. Statt Chips hat man eine Schale mit Würstchenscheiben gereicht.
Ich hoffe die halten noch durch.
Apropos Menschen in Charleroi: Hier schaut keiner wie man aussieht oder rumläuft.


















Die Pre-Metro (Stadtbahn) ist mein Tipp als Sehenswürdigkeit. Die lohnt sich vor allem mit der Linie 1. Eine Runde ist eine Zeitreise in längst vergangene Industriekultur, da sie wirklich mitten durchs Industriegebiet fährt.

Für Nahverkehrsspezialisten:
Eigentlich besteht das Netz aus einer Strecke von links nach rechts und in der Mitte einem Rundkreis. Dadurch gibt es vier Linien - jeweils 2 Linien fahren im Uhrzeigersinn und 2 dagegen.
Also rein in besagte Linie 1. Sie sollte links aus der Uhr rausfahren, doch sie fuhr rechts!Was war los? So viel hatte ich nun doch nicht getrunken, dass ich an mir zweifeln sollte. Wie gesagt sie fuhr rechts und dann war da etwas, was mir bis dato völlig neu war: Sie fuhr an der nächsten Haltestelle vorbei drehte eine Schleife und kam von der anderen Seite dort zum Stehen. Somit war ich wieder in der richtigen Richtung links rum.
Auf der anderen Seite des Rundkurses am Waterloo (wie die Station in Hannover) war es genauso mit dem Wenden. Die Station Waterloo hat übrigens die gleiche Kunstrichtung zu bieten, wie unsere Station unter dem Hauptbahnhof. Bevor es nach rechts zum abbiegen ging, fuhr sie erstmal links drehte eine Schleife und raus ging's.

Gefahren wird mit 2-Richtungswagen. Die Bahnsteige sind für 3-Wagen-Züge ausgebaut, werden aber nur mit Einzel-Wagen befahren. Und für die nöligen Hannoveraner: Gegen 20 Uhr ist Betriebsschluß!
Beispiel Haltestelle Parc -Richtung Hauptbahnhof fährt die letzte Linie 3 um 18:14 Uhr; die Linie 2 um 18:34 und danach ist Schicht im Schacht. Apropos Schacht: Charleroi ist eine Bergarbeiter-Stadt. Hier war die
Kohle-Industrie zuhause.
















Wieder für Alle:
Aber nochmal zurück zur Sehenswürdigkeit Stadtbahn. Die ist wirklich sehenswert! Man hat hier sehr spät angefangen. 1983 ging das erste Stück in Betrieb. Sage und schreibe 3 Stationen um dann erstmal 9 Jahre nicht weiterzubauen. Dann folgten 1996 (4 Jahre später) ein paar Verlängerungen, um dann nochmal 16 Jahre Pause zu machen um letzlich den Ring zu schließen. Die 16 Jahre Pause für den Lückenschluß waren gerade mal für 2 Stationen.
Kurios ist, dass in den 80ern eine komplette Linie gebaut wurde mit Stationen, Schienen und Strom-Oberleitung. Diese wurde bis heute nicht in Betrieb genommen, da dort kaum Leute Wohnen. Was für eine Geldverschwendung und Fehlplanung. Man hat heute sogar Strom in der Oberleitung, weil man Diebstahl vorbeugen möchte. Dort ist nie ein Zug gefahren und es ist auch zurzeit auch nicht geplant.
Und noch etwas kurioses: Während alle Bahnen rechts fahren wie bei uns auch, wechselt die Linie 4 nach Waterloo-Station und fährt auf einmal im Linksverkehr. Was es nicht alles gibt.
Aber nach Jahren des Stillstandes ist 2012 der Ring geschlossen und eine Strecke ist verlängert worden. Dieses Jahr soll eine neue Strecke mit 19 Stationen eröffnet werden. Man hat wohl erkannt, dass der Nahverkehr die Zukunft ist.

Momentan besteht das Netz aus 30 Stationen - das sind dann nochmal über 1/3 mehr.
Es gibt sowohl Tunnels mit Hochbahnsteigen, als auch Haltestellen auf der Straße. Bei der U-Bahn gibt es teils sehr schöne mit Comics dekorierte Stationen. Belgien ist ja Comic-Hauptstadt mit "Tim und Struppi"und "Lucky Luke".
Das Tollste ist aber der Bereich wo die Bahn als Hochbahn fährt! Auf Viadukten hoch und runter, rechts und links wie in der Achterbahn. Die Docklands aus London lassen grüßen!
Der Fahrer den ich interviewte war sehr nett. Er verdient ca. 1.500 Euro netto und liebt seinen Beruf. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 65 km/h, danach wird etwas runtergebremst wie beim Silberpfeil. 
Es gibt hier in Belgien so komische Zahlen auf Strecke "12" ,"16", "17", "18" und "27" je nach Stadt Unterschiedlich. Ich wußte nie, was dies bedeutet. Es sind tatsächlich Geschwindigkeitsbegrenzungen - sehr merkwürdig.

So diesmal war der Nahverkehr sehr ausführlich ,da dies echt die Hauptattraktion von Charleroi ist. Nun sitze ich im Zug nach Antwerpen für die letzte Nacht in Belgien. Ich bin gerade in Brüssel und fahre zum dritten mal bei den Prostituierten vorbei - quasi durch die gute Stube. Im Dunkeln kann man richtig gut reinschauen, für die Heteros unter den Lesern. :-I)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen